Preisgleitklauseln für Stahlbau

Stahl – ein volatiler Rohstoff

Jedes Unternehmen, das Stahl in größeren Mengen verarbeitet, ist der Entwicklung des Stahlpreises ausgeliefert. Das betrifft vor allem die Bauindustrie, aber auch viele Industrieunternehmen sowie deren Zulieferer. Eine langfristige Prognose des Stahlpreises ist nicht möglich, denn auch die Stahlproduzenten sind wiederum von volatilen Rohmaterialen abhängig und gehen keine langen Lieferverpflichtungen ein. Die steigenden Stahlpreise im Zuge der Corona-Pandemie stellten 2021 viele stahlverarbeitende Betriebe vor große Probleme. Auch in der Vergangenheit, etwa im Jahr 2008, gab es bereits ähnliche Preisspitzen.

Unternehmen können sich aber auf verschiedene Arten davor schützen, das Risiko eines Anstiegs der Stahlpreise tragen zu müssen. Beispielsweise mit einer Absicherung durch Preisgleitklauseln oder durch entsprechende Finanzinstrumente.

Es gibt je nach Branche Unterschiede, die entweder für die eine oder die andere Option sprechen.

Preisgleitklauseln – die Entwicklung des Stahlpreises im Vertrag berücksichtigen

Kommentar von Dr. Peter Hammacher, Rechtsanwalt – Mediation – Schiedsverfahren in Heidelberg

Preisgleitklauseln sind geeignet, Risiken aus schwankenden Rohstoffpreisen am Weltmarkt wenigstens teilweise auszugleichen. Die Vertragsparteien vereinbaren, aus festen Einheits- oder Pauschalpreisen, flexible Preise zu machen, in Abhängigkeit von der Preisentwicklung der Vorprodukte.

Beide Seiten können daran ein Interesse haben: der Lieferant wird von dem Risiko steigender Preise entlastet und sichert seine Margen. Er muss keine Risikozuschläge für ungewisse Materialpreissteigerungen einkalkulieren. Das wiederum verbilligt die Angebotssumme und kommt dem Auftraggeber zugute. Steigen die Preise, wird der Auftraggeber allerdings an den Mehrkosten beteiligt. Bei fallenden Preisen gilt umgekehrt Entsprechendes.

Preisgleitklauseln sind, jedenfalls in Deutschland, gesetzlich nicht geregelt. Sie müssen zwischen den Parteien vereinbart werden. Ihre Ausgestaltung ist – im Rahmen von Treu und Glauben – den Parteien überlassen.

Die Preisgleitklauseln werden meist als mathematische Formel ausgedrückt, bei der Werte zum Zeitpunkt der Vertragsanbahnung (z.B. Aufforderung zur Angebotsabgabe, Einreichung eines Angebots) oder Vertragsschluss (z.B. Vertragsunterzeichnung oder Zuschlag) mit einem Zeitpunkt der Vertragsausführung (z.B. Bestellung, Lieferung auf die Baustelle, Abnahme) ins Verhältnis gesetzt wird.

Wird ein vereinbarter Toleranzrahmen überschritten, wird der Preis angepasst. Je näher die Messpunkte am tatsächlichen Geschehen liegen, desto echter bildet die Klausel die Mehrkosten durch Preisänderung ab. So ist das Verhältnis „Kalkulation des Angebotes/Zahlung der Rechnung des Materiallieferanten“ realer als die „(möglicherweise verzögerte) Auftragsvergabe/Abnahme der Bauleistung“.

Ob und in welchem Umfang Preise gestiegen sind, ist ebenfalls eine Frage der Betrachtung, denn es gibt keinen weltweit einheitlichen Standard zur Bemessung von Preisschwankungen. Die Vertragsparteien müssen deshalb entweder eine eigene Regelung treffen (z.B. der Durchschnitt von drei Preisangeboten) oder sich auf die Ermittlungen Dritter (z.B. eine Rohstoffbörse, Wirtschaftsverbände, Statistikämter) verständigen.

In Deutschland wird bei öffentlichen Aufträgen auf die Formeln der Vergabehandbuchs zurückgegriffen (Hierzu Hammacher, Rasante Erhöhung der Stahlpreise – Hilfe durch Stoffpreisgleitklausel? Bauwirtschaft -1/2021, S.8, hier kostenlos abrufbar). Dies gilt nach Auskunft des Deutschen Stahlbauverbandes/bauforum Stahl auch für die Stahlbaubranche. Schwieriger ist die Einschätzung für den Maschinen- und Anlagenbau. Der VDMA e.V. (Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau Unternehmen Anm.) gibt hierzu keine Empfehlungen oder Auskünfte mehr, sondern berät seine Mitglieder individuell.

Wie immer ist es eine Frage des fairen Umgangs der Vertragspartner miteinander, des Verhandlungsgeschicks und/oder der Marktmacht, ob man sich auf eine angemessene Verteilung der Risiken verständigen kann. Dazu sollte man die Rechtslage und die Optionen sorgfältig prüfen. Ohne vertragliche Regelung bleibt es bei den gesetzlichen Grenzen, insbesondere § 313 BGB „Änderung der Geschäftsgrundlage“. Die Anforderungen haben der deutsche Gesetzgeber und ihm folgend viele Gerichte jedoch hoch angesetzt.

Über den Gastautor Dr. Peter Hammacher

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Dr. Peter Hammacher ist Rechtsanwalt mit mehr als 30 Jahren Berufserfahrung, insbesondere im Anlagenbau und Stahlbau, in Beratung, Vertretung, Schiedsverfahren, Mediation und Seminaren.

Zu seinen Publikationen zählt auch das “Handbuch der Auftragsabwicklung (Amazon Werbelink) “ mit Musterbriefen, das sich schwerpunktmäßig an Projektleiter im Stahl- und Anlagenbau richtet.

Beispiele und Muster für Preisgleitklauseln

Ausführliche Erklärungen und Beispiele zur Anwendung einer Preisgleitklausel anhand des Vergabe- und Vertragshandbuchs des Bundes finden Sie in Kapitel 2 und 3 dieses Artikels von Dr. Hammacher.

Sehr gute Muster für die Formulierung von Preisgleitklauseln, die Sie einfach in der Praxis einsetzen können, finden Sie auch bei Wirtschaftskammer Österreich under diesem Link (pdf).

Geeignete Indizes für Preisgleitklauseln

Wie im obenstehenden Kommentar von Dr. Hammacher zu lesen, ist bei der Anwendung von Preisgleitklauseln vorrangig zu klären, auf welchen Index sich diese bezieht. Hier eine Auswahl an Stahlpreisindizes und Rohstoffbörsen.

Alternative Hedging – die Absicherung des Stahlpreises durch Finanzinstrumente

Auch abseits der Bauindustrie werden Rohstoffe, insbesondere Stahl, regelmäßig bezogen und weiterverarbeitet. Dies trifft vor allem auf großvolumige Serienfertigung zu. Hier ist es nicht möglich, den Einkaufspreis exakt dem verkauften Produkt zuzuordnen. Langfristige Lieferverträge erfordern zudem eine Preisstabilität, die bei der Rohmaterialbeschaffung nicht zu realisieren ist. Man benötigt daher eine generelle Absicherung gegen eine steigende Entwicklung des Stahlpreises.

Ein Mittel hierzu sind derivative Finanzinstrumente. Ziel ist es dabei, den eigenen Stahlbedarf gegen eine preisliche Veränderung zu schützen. Dies ist immer nur in einer bestimmten Menge zu einem bestimmten Zeitpunkt möglich.

Weil es Stahl in verschiedenen Formen gibt, wurde er erst relativ spät als Basis für ein Derivat entdeckt. Heute kann man Kontrakte für unterschiedliche Stahlsorten wie Betonstahl, Walzdraht oder Warmband an verschiedenen internationalen Börsen abschließen.

Wie funktioniert das Hedging von Stahl?

Voraussetzung für die Absicherung per Derivat ist, dass man den eigenen Stahlbedarf in der Zukunft kennt. Nur dann kann man diese Stahlmenge absichern. Es ist natürlich auch möglich, nur einen Teil des Bedarfs zu decken und zumindest teilweise für Kostensicherheit zu sorgen. Wir betrachten das anhand eines kleinen Beispiels:

Firma Stahlbau GRÜN kauft jeden Monat 1000 Tonnen Stahl ein und verarbeitet diesen weiter. Mit den Kunden bestehen langfristige Lieferverträge mit fixierten Preisen. Das Unternehmen möchte sich gegen das Risiko einer ungünstigen Entwicklung des Stahlpreises in den nächsten 12 Monaten absichern. Hierzu erwirbt man ein Finanzinstrument, welches einem das Recht einräumt, die Menge von 1000 Tonnen Stahl in einem Jahr zu einem heute fixierten Preis zu erwerben.

Nachdem die 12 Monate abgelaufen sind, kauft Stahlbau GRÜN über ihren Lieferanten 1000 Tonnen Stahl zum aktuellen Marktpreis. Gleichzeitig wird das Finanzinstrument abgerechnet. Hierbei gibt es zwei Möglichkeiten.

    1. Der aktuelle Marktpreis ist höher als der fixierte Preis im Derivat, dann erhält Firma Stahlbau GRÜN eine Zahlung in Höhe der Differenz. Man hat zwar einen höheren Preis für den physischen Stahl gezahlt, bekommt dafür aber zur Kompensation der Kosten eine Zahlung aus dem Derivat.
    2. Sollte der Stahlpreis am Stichtag niedriger als vereinbart ausfallen, muss Stahlbau GRÜN den Differenzbetrag an den Emittenten des Finanzinstrumentes zahlen. Diese Kosten wurden aber Großteils beim Einkauf des physischen Stahls eingespart.

So kann man sich gegen steigende Kosten absichern und die Entwicklung des Stahlpreises stellt in der Kalkulation kein Risiko mehr dar. Hierfür wird aber eine Gebühr an den Emittenten des Finanzinstrumentes fällig. Je länger die Vorlaufzeit bis zum Stichtag ist, umso größer fällt diese aus.

Leider ist diese Form der Absicherung nur etwas für Firmen mit einem großen Stahlbedarf und entsprechendem Fachwissen zum Handel mit Finanzinstrumenten.

Risiken beim Hedging von Stahl

Voraussetzung für das Hedging ist eine Notierung des betreffenden Materials an einer Rohstoffbörse. Aus dem vorigen Kapitel ist ersichtlich, dass für Stahl nur wenige Sorten gehandelt werden. Dieser Aspekt birgt für KMU ein großes Risiko denn diese verarbeiten Bleche, Profile und Formrohre in unterschiedlichen Materialqualitäten, die nicht an der Börse gelistet sind. Zwar korrelieren die Rohstoffpreise, aber diese sind nur ein Teil des Marktpreises. Lokale Verknappung, etwa durch Produktionsengpässe oder Lieferschwierigkeiten werden dabei nicht berücksichtigt. Vereinfacht ausgedrückt, wenn ein Stahlbauer eine Konstruktion aus nahtlosen Rohren fertigen muss und diese gerade knapp und damit teuer sind, bedeutet das nicht, dass Hedging auf einen der oben genannten Werte eine Kompensation des Preisanstiegs bewirkt. Diese Art der Absicherung wäre somit spekulativ und damit ein zusätzliches Risiko. (Vgl. Beschaffung Aktuell)

Fazit: Die Absicherung gegen steigende Stahlpreise bleibt ein komplexes Thema

Je nachdem in welcher Branche Sie tätig sind und in welcher Position Ihr Unternehmen gegenüber Ihrem Kunden steht, können Sie eventuelle Preissteigerungen per Preisgleitklausel an Ihre Kunden weitergeben.

Für viele Unternehmen wird dies aber nicht möglich sein und auch der Einsatz von Finanzinstrumenten ist mit Risiken verbunden. Für viele Anwendungsfälle, vor allem im Maschinen- und Anlagenbau, fehlt zudem der passende Vergleichswert, womit eine vermeintliche Absicherung der Stahlpreisentwicklung schnell zum Spekulationsgeschäft wird.

Hier müssen Unternehmen auf Sicht agieren und darauf achten, keine zu langen Verpflichtungen einzugehen.

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Über den Autor

  • Andreas Janisch

    Founder

    Andreas Janisch, founder of Jactio.com, is an industrial engineer with more than 15 years of experience in mechanical engineering, plant construction and construction....

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Zuletzt überarbeitet am 1. Dezember 2022 von Andreas Janisch